Cartoon: Leadership und Leaderboard

Beim letzten Mal (vor sehr langer Zeit – bitte entschuldigt) haben wir uns den Begriff des Servant Leaders angesehen und versucht, ihn gemeinsam ein wenig besser zu verstehen. Die Erwartung an Agile Führung ist jedoch größer gefasst, weil wir von »Führung« im Unternehmenskontext weit mehr erwarten.

In einem Unternehmen, das sich im Moment im Transformationsprozess befindet, trifft man ständig auf reichlich verwirrte Führungskräfte (ich mag den Begriff noch immer nicht, aber für den Moment leben wir einfach mal damit). Jahrelang haben diese Personen danach gelebt, dass sie die Entscheidungen für ihren Bereich treffen durften und sollten. Das haben sie getan, so gut sie konnten – mal mehr und mal weniger verantwortungsbewusst.

Nun kommen aber die Agilen Coaches um die Ecke (also Leute wie ich) und sagen, dass die Teams jetzt selbst entscheiden, was sie tun. Schließlich haben wir inzwischen eine ganze Reihe von Product Ownern. Wir sagen aber auch, dass die Teams selbst entscheiden, wie sie es tun, sie legen ihre eigenen Regeln und Prozesse fest, schließlich sprechen wir die ganze Zeit von Selbstorganisation. Die Führungskräfte fragen nun, was da noch für sie übrig bleibt. Und diese Frage stellen sie völlig zurecht. 

Agile Führung definiert sich ungefähr so: Agile Führung beinhaltet alle Maßnahmen, die Entscheidungen und Verhalten in einem Verantwortungsbereich schnell, flexibel und gut angepasst machen.

Hat irgendjemand verstanden, was damit gemeint sein kann? 

Ich versuche mal, das irgendwie auseinander zu nehmen und zu erklären: Agilität bedeutet kontinuierlich aus Erfahrung zu lernen, den Regelkreis – Plan, Do, Check, Act – zu leben. Was das betrifft, sind wir uns inzwischen wahrscheinlich einig. Ich gehe davon aus, dass es ungefähr das ist, was mit dieser Formulierung gemeint ist, auch wenn mir die Wortwahl in der Definition leichten Kummer bereitet. Wir wollen nicht zwingend schnelle Entscheidungen. Wir wollen in erster Linie Entscheidungen, die auf dem Gelernten beruhen. Wir wollen Inspect & Adapt. Wir wollen in einen Fluss aus Austausch, Lernen, Anpassung und Konsequenz kommen.

Wenn ich das umformuliere, lande ich ganz schnell bei Agile Führung fördert Agilität im betreffenden Verantwortungsbereich.

Mal ganz ernsthaft: Wollt ihr mich verarschen?

Das ist schon fast eine Null-Aussage,mindestens aber selbstreferenzierend. Vor allen Dingen sagt es nichts zur Rolle einer Führungskraft in einer Agilen Organisation. Wenn ich also über Führung in der Agilen Welt spreche, wenn ich dem verwirrten Schäfchen, das sich »Fachbereichsleiter« oder sonstwie nennt, eine Antwort geben möchte, was es denn in Zukunft zu tun hat, weil wir alles in die Teams verlagert haben, komme ich mit dieser Definition nicht weit, das heißt, ich komme mit dem Begriff »Agile Führung« nicht weit. Dieser Begriff erklärt nur einen kleinen Teil dessen, was ganze Skalierungsebenen im Wandel der Zeiten ausmacht bzw. wofür ich diese brauche.

Hier findet Ihr eine Übersicht von Videos zu diesem und anderen Themen

Agile Führung als Förderung von Agilität beinhaltet in erster Linie das Schaffen von Rahmenbedingungen, damit Agilität überhaupt gelebt werden kann, also z.B. unternehmensweite Regeln, die den Teams ermöglichen, eigene Entscheidungen zu treffen. 

Im Kontext Förderung einer Sache bin ich auch ganz schnell beim Aspekt des Coachings. Führung würde für mich nicht unbedingt bedeuten, selbst als Coach aufzutreten, aber den Teams Zugang zu Wissen zu ermöglichen und evtl. Coaches zu finden und einzusetzen, die den Teams dabei helfen, sich selbst zu organisieren. Von allein können die das nicht. Gerade am Anfang des Transformationsprozesses brauchen sie Unterstützung.

Wir haben Führungsaufgaben in die Teams verlagert. Das ist die Definition von Selbstorganisation. Agile Führung ist vor allen Dingen der Prozess der Verlagerung von Führungsaufgaben von einer Stelle hin zu einer anderen. Ganz konsequent gedacht, bedeutet Agile Führung damit, dass eine Führungskraft darauf hinarbeitet, sich selbst überflüssig zu machen.

OK, das geht zu weit, und das wird auch nie der Fall sein, denn im komplexen Unternehmenskontext habe ich immer Verwendung für eine skalierte Ebene. Die Anforderungen ändern sich jedoch.

Aber zurück zur Verlagerung von Führungsaufgaben. Dafür möchte ich im Folgenden alles extrem vereinfachen, um die Dinge etwas anschaulicher zu machen. Wir kommen also aus einer Welt, in der eine Person alles entschieden hat, ein Team nichts entscheiden hat und nur die Entscheidungen dieser einen Person umgesetzt hat. Unser Zielbild besteht darin, dass alle Entscheidungen beim Team liegen, womit für diese eine Person nicht mehr übrig bleibt.

Das ist extrem vereinfacht dargestellt – ich weiß. 

Agile Führung verlangt jetzt von dieser einen Person, den Prozess der Transformation hin zu Zustand 2 zu fördern. Warum brauche ich überhaupt einen langen Transformationsprozess? Warum kann ich nicht einfach sagen, dass es jetzt so ist. Liebes Team, leg los. Viel Spaß.

Das Problem ist, dass ich die Teams damit überfordere, weil ich erwarte, dass Menschen, die es nicht gewohnt sind, eigene Entscheidungen zu treffen (zumindest im Unternehmenskontext), das dennoch ohne Hilfe und ohne Zwischenschritte tun könnten. Mit dieser Erwartung werde ich aber sehr unsanft auf die Fresse fallen.

Jetzt vereinfache ich nicht mehr: Mit der Situation konfrontiert, eigene Entscheidungen treffen zu müssen, verfallen etliche Teams in eine komplette Schockstarre, andere werden völlig vogelwild und kennen plötzlich keine Grenzen mehr. Ich kann Selbstorganisation nicht von 0 auf 100 starten, ich muss auch hier in kleinen Schritten vorgehen. Agile Führung bedeutet dabei, genau diese Schritte zu erarbeiten. Innerhalb welchen Rahmens fühlt sich ein Team sicher genug, eigene Entscheidungen zu treffen? Wann und wie wird dieser Rahmen erweitert? Wie verankert sich das Agile Prinzip des iterativen empirischen Vorgehens in der täglichen Arbeit des Teams und im Prozess der Entscheidungsfindung?

Bei all diesen Fragen lande ich immer beim Scrum Master und nur selten bei der traditionellen Führungskraft. Diese dabei außen vor zu lassen, wäre aber sicherlich ein Fehler. Der Produktmanager (stellvertretend für alle anderen möglichen Titel) muss bei diesem Prozess mitwirken. Er muss nicht nur Schritt für Schritt Dinge loslassen – und ist damit Teil der Vereinbarungen, er wirkt auch mit, im gesamten Unternehmenskontext die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Er kann auch selbst Vorschläge und Ideen beisteuern. Das muss nicht zwingend der Scrum Master allein tun.

Bis jetzt ist Agile Führung also in erster Linie Transformation. Damit haben wir einige wenige Fragezeichen der verwirrten Schäfchen (die sich Fachbereichsleiter o.ä. nennen) aufgelöst. Wir haben aber noch nicht viel dazu gesagt, was die Rolle von Führungskräften in einem Agilen Umfeld tatsächlich ausmacht. Das möchte ich mir mit Euch im dritten Teil ansehen, auf den Ihr auch nicht so endlos lange warten müsst. Versprochen.

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