Cartoon: Homeoffice

Fast alle von uns leben derzeit in einer (beruflichen) Ausnahmesituation. Ab und an ein Tag Homeoffice ist eine Sache, aber über mehrere Wochen – vielleicht sogar Monate – dauerhaft allein vor dem Rechner ohne die Kollegen im Büro zu arbeiten, ist eine immense Belastung, die viele schon jetzt spüren. Das Fehlen von direkten sozialen Kontakten ist nur ein Aspekt, ein anderer ist die Selbstorganisation. 

Ich weiß nicht einmal genau, wo ich anfangen soll, da das Thema so komplex ist und so viele Facetten hat. Wahrscheinlich sollte ich mich von dem Gedanken verabschieden, alles in größter Tiefe und vollumfänglich abhandeln zu können. Was ist es also, was mir am deutlichsten auffällt?

Thema 1: Der Lagerkoller

Der erste Tag Homeoffice ist noch toll. Man kann vielleicht ein wenig später aufstehen (kommt wahrscheinlich darauf an, ob man Kinder hat), setzt sich irgendwann ganz gemütlich an den Rechner und freut sich darüber, dass man so viel schafft, weil man nicht mehr so oft abgelenkt wird (aber wahrscheinlich hängt auch das von den Kindern ab). 

Viele von uns sind regelmäßig im Homeoffice und wissen die Vorteile zu schätzen. Der zweite und dritte Tag am Stück ist auch noch toll. Man verbringt mehr Zeit mit der Familie (wenn man eine hat), spart sich den nervenden Weg ins Büro und die täglichen Staus.

In der zweiten Woche fangen wir an, uns eingesperrt zu fühlen. Wir bemerken das Fehlen der menschlichen Interaktionen, für das die regelmäßigen Telkos bzw. Skype Sessions nur ein unzureichender Ersatz sind. Das Arbeitszimmer wird immer enger, man möchte einfach nur noch raus. Noch schlimmer ist es, wenn man kein Arbeitszimmer hat und am Küchentisch improvisieren muss. Vielleicht müssen sich auch zwei Personen den Küchentisch teilen, während zwei Kinder Aufmerksamkeit wollen.

Hier findet Ihr eine Übersicht von Videos zu diesem und anderen Themen

Macht Euch Euer Arbeitsumfeld so angenehm wie möglich. Macht es Euch bequem. Das macht einen echten Unterschied. Ein ganzer Tag auf dem Küchenstuhl ist keine Freude für den Rücken (oder den Arsch). Wer häufiger im Homeoffice ist, hat das wahrscheinlich schon getan. 

Natürlich ist das nur ein kleiner Punkt. Das größere Problem ist das Fehlen der Interaktion bis hin zur Isolation, was besonders für die Singles unter uns hart sein kann. Da ich selbst allein lebe, weiß ich, wovon ich hier rede. Man ist den ganzen Tag im Arbeitszimmer, pendelt ins Wohnzimmer, in die Küche, aufs Scheißhaus und wieder zurück und sieht keinen Menschen. Die Portraits meiner Kollegen in Skype zählen nicht. Am nächsten Tag das selbe Spiel. Vielleicht geht man mal kurz zum Supermarkt um die Ecke, aber da hält man auch Distanz und spricht kaum miteinander.

Das Audiogespräch mit den Kollegen oder auch der Videochat ist nur ein unzureichender Ersatz, aber besser als nichts. Da ich die meisten Meetings, an denen ich teilnehme, auch moderiere, lasse ich momentan sehr viel mehr Zeit für Smalltalk, Blödsinn und arbeitsfremde Themen, was selbstverständlich kein vollständiger Ersatz für direkte Kontakte und das kurze Schwätzchen an der Kaffeemaschine oder in der Raucherecke ist, aber es hilft dennoch ungemein.

Wir befinden uns momentan alle in einer Stresssituation. Druck im Meeting macht alles nur noch schlimmer. Natürlich haben wir eine Agenda. Natürlich haben wir ein Ziel in jeder Besprechung. Eines meiner Ziele ist aber auch das Wohlbefinden meiner Kollegen, darum kürze ich – wenn möglich – sogar die Agenda der Besprechungen, um mehr Raum für Interaktion zu geben.

Ich bin ein wenig vorsichtig dabei, mehr zu telefonieren und weniger Mails zu schreiben. Natürlich wissen wir, dass der direkte Austausch immer vorzuziehen ist, aber jemand, der sehr viel telefonieren muss, freut sich vielleicht nicht unbedingt über ein weiteres (aufgezwungenes) Gespräch. Ich biete immer an, dass wir auch direkt sprechen können. Wer das annehmen möchte, soll es gern tun.

Thema 2: Selbstorganisation

Ich beobachte im Moment bei vielen Kollegen, die seltener im Homeoffice sind, dass sie nicht wissen, wann eigentlich Schluss ist. Im Büro hat man ein Stundenkonto oder sogar feste Arbeitszeiten. Man hält sich vielleicht nicht immer daran, aber es ist ein Rahmen vorgegeben, und vor allen Dingen ist Schluss, wenn man die Tür hinter sich schließt. Im Homeoffice vermischen sich Arbeitswelt und Privatleben. Der Arbeitsplatz ist im schlimmsten Fall auch abends direkt in meinem Blickfeld. Man weiß, dass man noch viel zu tun hat, und weil uns sowieso die Decke auf den Kopf fällt, tun wir das also noch.

Die Trennung zwischen Arbeit und Privatem ist schwierig, und sie kann zum Problem werden, was vor allem dann gilt, wenn wir uns sehr stark mit unserer Arbeit identifizieren. Ist mir mein Job egal, ist das überhaupt kein Problem, dann geht es eher in die andere Richtung, und ich habe ein Problem damit, die Disziplin aufrecht zu halten.

Ich gehe so vor, dass ich mir morgens (oder am Tag vorher) meine Aufgaben für den Tag auf Post-Its an den Monitor klebe, eine nach der anderen abschließe und die Zettel wegwerfe. Wenn ich fertig bin, bin ich fertig. Für den selben Tag kommt nichts Neues dazu, wenn es nicht gerade irgendwo brennt.

Plant Eure Aufgaben für den Tag, und wenn die abgeschlossen sind, seid auch ihr fertig. Wenn es länger dauert, bleibt nicht sitzen, macht Schluss und erledigt den Rest morgen. Lasst nicht zu, dass Euer Arbeitsleben Euer Leben übernimmt. Auch im Homeoffice bemühe ich mich darum, so hart wie möglich zwischen Arbeit und Privatem zu trennen. Wenn ich das nicht tue, wird das Eine das Andere langsam übernehmen. Da das in beide Richtungen gilt, nehme ich mir für jeden Tag eine minimale und eine maximale Zeit, die ich mit Arbeit verbringe. Wenn meine maximale Zeit erreicht ist, ist Schluss. Ganz egal, wo ich mich in meiner Aufgabe gerade befinde. Würde ich jetzt sagen: »Den Rest mache ich noch schnell fertig«, würde ich diese Regel immer weiter aufweichen, bis sie bald gegenstandslos wird.

Natürlich ist mir auch klar, dass das nicht immer möglich ist, aber wenn Ihr das irgendwie schafft, versucht es wenigstens. Das Ganze ist purer Selbstschutz, sowohl in die eine als auch in die andere Richtung.

Thema 3: Zerstreuung

Eine weitere Sache, zu der ich dringend raten möchte, ist Ablenkung. Vielleicht ist es uns nicht bewusst, aber im Büro haben wir eine Menge Ablenkung und kurze Pausen. Das kurze Gespräch mit den Kollegen im selben Raum, das kurze Gespräch an der Kaffeemaschine, das kurze Gespräch auf dem Raucherhof. Da kommt eine Menge zusammen, und das ist auch richtig so. Wir brauchen das. Wir brauchen häufige kurze Pausen.

Im Homeoffice schafft man mehr und in kürzerer Zeit, weil viele dieser Ablenkungen nicht da sind. Das betrifft aber sowohl die ungewollten als auch die gewollten Ablenkungen und Pausen. Wenn ständig jemand in der Tür steht und mir Fragen stellt, die er auch leicht nachlesen könnte, dann ist das eine ungewollte Unterbrechung, und ich bin froh, wenn das nicht mehr passiert. Der kurze Schnack mit den Kollegen ist aber eine gewollte Ablenkung, die mir fehlt, auch wenn ich das vielleicht nicht bemerke.

Als Raucher hat man regelmäßig kurze Pausen. Man geht für zehn Minuten auf den Balkon, steckt sich die Kippe ins Gesicht, kann kurz frische Luft einatmen (gefiltert und aromatisiert), und alles ist gut. Das Rauchen habe ich mir vor einiger Zeit jedoch abgewöhnt, und das hat dazu geführt, dass ich im Homeoffice seltener kurze Pausen gemacht habe. Die Tage wurden dadurch immer anstrengender. Seit ich dazu übergegangen bin, mich regelmäßig abzulenken und Pausen zu machen, ist das wieder sehr viel besser geworden. 

Es hilft nichts, einmal aufzustehen und sich stumpf sinnierend auf den Balkon zu stellen. Es bringt auch nicht viel, einmal kurz um den Block zu latschen und dabei seinen Gedanken nachzuhängen. Das befreit den Kopf nicht, genau das will ich aber erreichen. Mein Lieblingscontent auf YouTube, eine Folge meiner liebsten Anime-Serie, eine kurze Runde Tetris. Was ich damit sagen will: macht bitte nicht nur Pausen für den Körper sondern vor allem auch Pausen für den Kopf. Homeoffice ist nicht körperlich anstrengend. Meinen Körper muss ich zwischendurch strecken, und am Abend setze ich mich auf den Heimtrainer oder nutze eine Fitness-App, um mich zu bewegen. Homeoffice ist geistig anstrengend. Hier muss ich Entlastung schaffen.

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