floodWenn Sie ein Scrum Buch aufschlagen und zum Kapitel kommen, in dem der Ablauf der einzelnen Meetings beschrieben wird, werden Sie immer wieder lesen, dass der Scrum Master diese Treffen moderiert und eingreifen soll, wenn die Diskussion abschweift oder sich die Gemüter erhitzen. Das ist leichter gesagt als getan. Wenn offener Streit ausbricht oder sich das gesamte Team auskotzen möchte, dann genügt es nicht, einfach zu sagen: »Ok, beruhigen wir uns wieder, zurück zum Thema.«

Selbst wenn das Team sich wieder fängt und zähneknirschend das Meeting fortsetzt, ändert das nichts daran, dass wir nur ein Pflaster auf eine offene Wunde geklebt haben. Es hat einen Grund, wenn die Dinge aus dem Ruder laufen. Und so lange wir nicht an der Ursache arbeiten, hilft es überhaupt nichts, an den Symptomen herumzudoktern. Beim nächsten Meeting werden wir mit größter Wahrscheinlichkeit vor dem selben Problem stehen und erneut unsere Kollegen zur Ordnung rufen müssen.

Zunächst einmal sollten wir uns darauf verständigen, ab wann eine Diskussion wirklich den Faden verloren hat, und was ein Problem für uns darstellt. Ich glaube, dass Sie mir zustimmen werden, wenn ich sage, dass sich niemand darüber beschwert, wenn das Team in einem Meeting ein paar Minuten Blödsinn und Scherze macht. Das gehört dazu und ist ein Zeichen für ein gesundes Team. Lassen sich alle leicht wieder beruhigen und setzen dann konzentriert die Diskussion fort, ist alles super. Dabei sollten wir es lassen, ein bisschen Spaß muss sein.

Wenn das Team immer abschweift und in Witzeleien verfällt, sich dann auch nur schwer auf den Pfad der Tugend zurückführen lässt, haben wir lediglich ein Disziplin- und Konzentrationsproblem. Das Team in sich funktioniert, offensichtlich verstehen sich die Kollegen gut. Es wird dann auch kein großes Problem mit dem Umfeld oder den Aufgaben geben, sonst würden sie sich eher auskotzen (achten Sie jedoch auf Galgenhumor, dann liegt die Sache anders – im schlimmsten Fall haben Ihre Kollegen die Hoffnung auf Besserung bereits aufgegeben). Wenn wir also einfach nur mit einer Bande Vorschulkinder umgehen müssen, sollten wir die Sache in den Griff kriegen können. Stoßen Sie in diesem Fall die Metadiskussion an und fragen Sie ihre Kollegen, warum es ihnen so schwer fällt, ein Meeting durchzuziehen. Erklären Sie, wie schwierig das ihre Lage macht, erklären Sie aber auch, dass Sie kein Problem mit fünf Minuten Spaß haben. Unsere Kollegen sind vernunftbegabte Menschen. Wenn Sie offen über das Thema sprechen, werden sie sich um Besserung bemühen. Meistens ist ihnen garnicht bewusst, dass das ständige Rumblödeln ein Problem macht.

Anders ist die Lage, wenn sich das Team immer wieder beschwert und von der eigentlichen Diskussion über einzelne Anforderungen immer wieder zu ihrer Situation, dem Meckern über andere Abteilungen, den Chef oder das gesamte Unternehmen kommen. Auch wenn das Team ständig in Galgenhumor verfällt und sich über über seine Situation lustig macht, gehört das zur selben Kategorie von Problemen. Tritt das einmalig oder sehr selten auf, dann ist auch das normal. Jeder ärgert sich mal über irgendwas, jeder ist irgendwie mal enttäuscht. In diesem Fall können wir ruhig die eigentliche Diskussion unterbrechen und uns erklären lassen, was eigentlich vorgefallen ist. Lassen Sie es zu, dass sich alle einmal richtig auskotzen. Das muss gelegentlich sein, das ist gesund. Hören Sie zu, schildern Sie vielleicht auch Ihre Sicht der Dinge. Bieten Sie im Zweifelsfalle an, bei Streitereien mit einer anderen Abteilung zu vermitteln (Das wäre sowieso Ihre Aufgabe als Scrum Master. Wenn Sie Rat suchen, fragen Sie mich).

Es hat keinen Sinn, eine Diskussion fortsetzen zu wollen, wenn das Team offensichtlich nicht bei der Sache ist. Kümmern Sie sich also zunächst um das dringlichere Thema und bringen Sie das zu einem Abschluss. Ganz egal, was den Unmut Ihrer Kollegen erregt hat, entweder Sie bieten an, mit einer bestimmten Person zu sprechen, oder Sie machen einen Vorschlag, wie das Problem zu lösen sei, den das Team akzeptiert, oder Sie erarbeiten gemeinsam ein weiteres Vorgehen. Wichtig ist, dass die »Unterbrecherdiskussion« zu einem Abschluss kommt, andernfalls werden die Kollegen immer wieder auf dieses Thema zurückkommen.

Wesentlich schwieriger wird es, wenn wir ständig vor der Situation des allgemeinen Meckerns und Beschwerens stehen. Dann scheinen grundlegende Dinge im Umfeld nicht zu stimmen. Wir können uns dann noch durch dieses Meeting quälen, aber es wird nicht möglich sein, konzentriert zu arbeiten, bevor diese Dinge abgestellt sind. Wenn Sie als Scrum Master auch nur ein wenig Vertrauen ihrer Kollegen genießen, werden Sie wissen, was das Problem ist. Sprechen Sie (bald) mit Ihrem Team, erarbeiten Sie eine Lösung und gehen Sie die Sache an. Wenn Sie nicht genau wissen, wo das eigentliche Problem liegt, fragen Sie nach. Erklären Sie ihren Kollegen, dass es Ihr Job ist, sich darum zu kümmern, dass alle vernünftig arbeiten können, und dass Sie auf der Seite der Entwickler stehen. Dazu gehört auch, dass man vermittelt, einen Dialog anstößt und auch mit der Geschäftsleitung zusammen an einer Lösung arbeitet. Ohne ein wenig Vertrauen ihrer Entwicklerkollegen werden sie jedoch nichts erreichen. Wenn diese der Meinung sind, dass Sie Teil des Problems sind, dann sowieso nicht.

Ähnlich verhält es sich bei Streitereien im Team. Geschieht das einmalig oder nur sehr selten, dann ist auch das selbstverständlich vollkommen normal. Unter Kollegen kriegt man sich mal in die Haare. Wenn am nächsten Tag wieder alles in Ordnung ist, dann machen wir uns keine Gedanken darüber.

Wenn sich zwei in einem Meeting an die Gurgel gehen, unterbrechen wir ebenfalls. Es hat auch hier keinen Sinn, einfach nur die Kollegen zur Ordnung zu rufen. Machen Sie ein paar Minuten Pause, gehen Sie mit den beiden (oder mehr) Streithähnen vor die Tür, und sprechen Sie über die Sache. Lassen Sie sich alles von allen erklären und (ganz wichtig) bleiben Sie selbst ruhig. Wenn Sie versuchen, andere zu beruhigen, indem Sie selbst lauter »Ruhe« rufen als die anderen sich angiften, dann gießen Sie nur Öl ins Feuer. Bleiben Sie ganz bewusst ruhig und sachlich. Wenn Sie als Scrum Master in einer hitzigen Diskussion einen Ruhepol bilden und sich auch nicht reizen lassen, dann wirkt das auf Ihre Kollegen. Sie werden bemerken, dass sich alle beruhigen und selbst wieder sachlicher werden. Setzen Sie die eigentliche Diskussion erst fort, wenn alle wieder ruhig und sachlich miteinander sprechen können.

Die Mutter aller Probleme haben wir natürlich, wenn im Team immer wieder Streit aufkommt. Bei einem neu zusammengesetzten Team kann es häufiger zu kleinen Reibereien kommen. Man kennt sich noch nicht, es gibt viele Missverständnisse. Diese Dinge geben sich aber nach kurzer Zeit. Beobachten wir jedoch über einen längeren Zeitraum häufigeren Streit, dann liegt das im allgemeinen daran, dass sich zwei nicht mögen und vielleicht schon Untergruppierungen um sich herum gebildet haben. Ich sage es ungern, aber das können wir kaum lösen. Sprechen Sie mit jedem einzelnen über die Situation und lassen Sie sich alles erklären. Versuchen Sie nicht, beide an einen Tisch zu zwingen. Das geht meistens schief. Man macht eine halbe Stunde lang gute Miene zum bösen Spiel und keift sich zwei Tage später wieder an.

Wirklich offene Worte bekommen Sie nur im Einzelgespräch. Sie können auch nur unter vier Augen herausfinden, ob es einen Willen zur einer Änderung der Situation gibt, oder ob die Fronten so verhärtet sind, dass jede weitere Anstrengung unnütz ist. In diesem Fall kommen sie nicht darum herum, dass einer das Team verlassen muss. Sprechen Sie auch darüber mit beiden, zunächst allein, dann gemeinsam. Vielleicht hat einer ein Angebot und will wechseln, im schlimmsten Fall müssen wir bestimmen, wer das Team verlassen muss.

Wenn beide wissen, dass sie der Grund für ein teamweites Problem sind, und beide den Wunsch äußern in einem gesunden Team gemeinsam an einem Projekt arbeiten zu wollen, der jeweils andere ihn aber regelmäßig auf die Palme bringt, dann ist möglicherweise noch nicht alles verloren. Lassen Sie sich dann im Einzelgespräch schildern, was den einen am jeweils anderen stört, und konfrontieren Sie dann – wiederum im Einzelgespräch – jeden mit der Meinung des jeweils anderen. Sehr oft, werden Sie dann Dinge hören wie »Ich wusste nicht, dass ich so auf andere wirke«. Das ist ein Anfang, aber auch nicht mehr. Beide müssen wich bewegen, machen Sie das beiden von Anfang an klar. Das Ganze wird wie eine Paarberatung. Am Ende steht mit etwas Glück und Geduld die Versöhnung, mit etwas Pech die Scheidung.

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