Cartoon: Measuring Agile

Nachdem wir – mehr oder weniger erfolgreich – Agilität in unserer Organisationseinheit eingeführt haben, wollen wir früher oder später auch wissen, was sich dadurch verändert hat, und ob sich unsere Anstrengungen gelohnt haben. Wir wollen auch wissen, ob die Maßnahmen aus unseren Retrospektiven irgendeine Veränderung gebracht haben. Kurz: wir möchten herausfinden, was sich verändert, und wie es sich verändert.

Das gilt eigentlich für alles, was wir in unserem Unternehmenskontext tun, nicht wahr?

Was hat es für einen Sinn, eine Veränderung herbeizuführen und dann nicht zu überprüfen, ob diese Veränderung den gewünschten Effekt hat? Selbstverständlich bezieht sich das nicht nur auf die Agile Welt. Jede Maßnahme in der Organisationsentwicklung ist durch irgendeine Motivation getrieben. Wir möchten etwas verändern, weil wir uns dadurch eine Verbesserung erhoffen.

Hier beginnt im Allgemeinen unser Problem, weil wir nicht konkret genug sind. Die Entwicklungsgeschwindigkeit ist zu langsam, also denken wir uns eine Maßnahme aus, die Dinge beschleunigen soll, aber anhand welcher Kriterien erkennen wir, dass wir ein Problem haben? Sprechen wir über ein Bauchgefühl oder über quantifizierbare Daten?

Wir gehen gern so vor, dass wir im Rahmen einer Retrospektive oder einer Lessons-Learned-Session am Ende eines Projekts oder irgendeiner vergleichbaren Veranstaltung Themen sammeln, die unserer Meinung nach nicht besonders gut gelaufen sind, und bei denen wir Verbesserungspotenzial sehen. Dann schauen wir uns vielleicht den Ist-Stand an, wie die Prozesse im Moment aussehen, und welche Schritte man dabei vielleicht beschleunigen oder wegfallen lassen kann – so weit so gut.

Oder auch nicht.

Anlass für diese Diskussion und der Suche nach einer Lösung ist in aller Regel ein Gefühl. Wann sprechen wir dort über Zahlen? Wir sagen z.B., dass unsere Arbeitsergebnisse zu lange beim Testing liegen und fragen uns, wie wir das beschleunigen können. Aber wie lange liegen unsere Ergebnisse beim Testing? Haben wir das gemessen? Wenn ja, wie ist der Durchschnittswert? Ist der Durchschnittswert unserer Meinung nach in Ordnung, und es gibt einzelne Ausreißer? Oder ist der Durchschnittswert zu hoch? Wo sollte er denn liegen? Das ist die Kernfrage.

Jede Maßnahme, die wir ergreifen, muss sich in irgendeiner Form quantifizieren lassen, ansonsten sprechen wir immer nur über ein Gefühl. Im Beispiel mit dem Testing stellen wir die Frage, welchen Wert wir gern hätten. An dem messen wir am Ende den Erfolg unserer Maßnahme. Haben wir den erreicht, war unsere Maßnahme erfolgreich. Erreichen wir ihn nicht, gehen wir tiefer ins Detail: Ist unser Wunsch überhaupt realistisch (eine Frage, die wir sehr viel früher stellen sollten)? Wie viel haben wir erreicht? 60% von dem was wir wollten? Genügt uns das? Was können wir noch tun, um die 100% zu erreichen?

In dem Moment, in dem wir über Zahlen sprechen – bereits bei unserer Motivation – werden wir sehr viel konkreter und verabschieden uns vor allen Dingen von Gefühlen und Eindrücken.

Ein sehr viel zielführenderes Vorgehen in unseren Retrospektiven ist daher folgendes:

Wir sammeln Dinge, die unserer Meinung nach nicht besonders gut funktionieren. In diesem Schritt sind wir noch bei Eindrücken und Gefühlen, aber das ist auch vollkommen in Ordnung. Irgendwo müssen wir ja anfangen. Aber gleich im nächsten Schritt stellen wir die Frage nach den Werten. Im Beispiel mit dem Testing fragen wir also sofort, wie lange die Dinge denn beim Testing liegen? Ist das Wartezeit oder Bearbeitungszeit. Haben wir diese Zeiten gemessen? Wenn nein: wie können wir es messen. Das wäre damit der allererste Schritt: wir finden einen Weg, die Wartezeit, Bearbeitungszeit und Durchlaufzeit im Testing zu messen. Diese Zahlen werten wir dann aus. Erst dann haben wir einen tatsächlich belastbaren Ist-Stand. Dem stellen wir nun einen Wunsch-Wert gegenüber und identifizieren unsere Maßnahmen.

Das mag Euch allen furchtbar kompliziert und langwierig erscheinen, und Ihr habt dabei nicht ganz unrecht. In diesem Beispiel würden wir über zwei Iterationen gehen, weil wir zunächst die Daten erheben und erst dann Maßnahmen identifizieren und umsetzen. Es mag sehr viel leichter sein, direkt eine Maßnahme umzusetzen, aber uns muss bewusst sein, dass die Überprüfbarkeit dann weitestgehend auf der Strecke bleibt. Ich werde dann immer nur mit Eindrücken arbeiten können.

Das ist die Zwickmühle, in der wir uns befinden, und bei der wir jedes Mal neu entscheiden müssen, ob wir den langen Weg wählen, der sauberer ist und uns belastbare Zahlen liefert, oder ob wir die Dinge quick-and-dirty angehen wollen, weil das einfach schneller geht.

Hier findet Ihr eine Übersicht von Videos zu diesem und anderen Themen

Meine Empfehlung geht in die Richtung, dass man bei vielen Kleinigkeiten durchaus den schnellen Weg gehen kann. Wir überlegen uns was und fragen nach einiger Zeit alle Beteiligten, ob es sich verbessert hat. Ist das Ergebnis einstimmig positiv, sind wir zufrieden und belassen es dabei.

Sobald wir uns aber in einem komplexeren Problem befinden oder wir uns auf einer skalierten Ebene der Organisation bewegen, sollten wir den Weg der Quantifizierbareit wählen. Wir werden viele Diskussionen führen müssen, und früher oder später wird uns jemand, den wir brauchen, die Frage stellen, woran wir festmachen, dass es momentan nicht gut läuft. Wenn wir dann Zahlen präsentieren können, die auch verständlich sind, wird jede weitere Diskussion sehr viel einfacher.

Und sobald wir uns auf einer skalierten Ebene bewegen, wird irgendwann auch irgendjemand völlig zurecht die Frage nach dem Erfolg unserer Maßnahmen stellen. Was wollen wir dem antworten? Ist besser geworden? Wir müssen dann einfach Zahlen präsentieren. Durchlaufzeiten im Schnitt verringert um x Prozent, Kosten gesenkt um y Prozent. Das wird unser Gegenüber erwarten, und wir tun gut daran, genau das zu liefern. Nicht nur, weil wir damit vermeiden, dass uns jemand den Hals umdreht, sondern auch weil es die einzige Möglichkeit ist, den Erfolg unserer Maßnahmen zu bestimmen. Wie ist der Wert jetzt? Wo wollen wir hin? Wie erreichen wir das? Wann checken wir, ob wir den Wunschwert erreicht haben? Alles Andere ist Eindruck und Gefühl, und damit machen wir uns im skalierten Kontext immer das Leben sehr schwer.

Kernaussagen: den Erfolg einer Maßnahme kann man nur anhand quantifizierbarer Größen messen, alles andere ist Eindruck und Gefühl. Bei kleinen teaminternen Maßnahmen aus einer Retrospektive können wir es dabei belassen, ohne Zahlenwerte zu arbeiten, wenn wir nach einer gewissen Zeit das Team befragen, ob sich der gewünschte Effekt eingestellt hat. Bewegen wir uns in einer komplexeren Problemstellung oder auf einer skalierten Ebene der Organisation sollten wir immer mit Zahlenwerten arbeiten.

Wenn Ihr mehr erfahren wollt, oder Unterstützung braucht, sprecht mich einfach an.

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