Cartoon: Identify the most important subject

Viele von Euch werden festgestellt haben, dass Retrospektiven mit der Zeit immer eintöniger werden und immer weniger Ergebnisse liefern. Das ist nicht verwunderlich. Wenn ich immer dieselben Fragen stelle, werde ich auch immer dieselben Antworten erhalten. Wie durchbreche ich diesen Teufelskreis?

Wir haben gelernt, die Fragen was war gut?, was war schlecht? und was müssen wir besser machen? zu stellen. Am Anfang ist nicht viel dabei herausgekommen, weil sich keiner getraut hat, und weil dieses Format ungewohnt war. Dann haben sich unsere Kollegen daran gewöhnt, und wir haben immer wieder nur über dieselben Themen mit denselben Lösungsvorschlägen diskutiert, bis alle irgendwann gesagt haben, dass es sich nicht lohnen würde, weil sich sowieso nichts ändert.

Klingt vertraut?

Darin stecken gleich mehrere Probleme, die sich gegenseitig unterstützen. Zum einen zeigt sich der Mangel an Variation daran, dass immer alle über die gleichen Dinge sprechen. Wir kommen so irgendwann zu einer reinen Auskotz-Veranstaltung, weil wir nicht einmal mehr ernsthaft über Lösungen nachdenken.

Zum anderen resignieren unsere Kollegen, weil sie keine Veränderungen bemerken. Vielleicht hat man einmal versucht, das ganz große Rad zu drehen. Natürlich hat das nicht funktioniert. Also kommt man kollektiv zum Schluss, dass der ganze Mist mit den Retrospektiven nichts bringt, weil man sowieso nichts ändern könnte. So kommen wir ebenfalls zu einer reinen Auskotz-Veranstaltung, in der wir alle zwei Wochen darüber philosophieren, was in unserem Unternehmen alles Mist ist. Da wir aber der festen Überzeugung sind, dass wir nichts ändern könnten, denken wir nicht einmal mehr ernsthaft über Lösungen nach.

Wir durchbrechen wir diesen Teufelskreis, bzw. wie sorgen wir dafür, dass es nicht dazu kommt?

Wer sich ein wenig in die Thematik der Retrospektiven einliest, wird schnell darauf stoßen, dass wir immer ein Schema durchziehen: Set the Stage – Gather the Data – Generate Insights – Decide – End. Wir sorgen also zunächst für das passende Gesprächsklima – was auch immer das sein soll, sameln dann Themen, gehen tiefer ins Detail, treffen unsere Entscheidung und kommen dann zum Ende. Das klingt zwar nicht schlecht, geht aber nicht weit genug, weil es uns keine Details liefert.

Hier findet Ihr eine Übersicht von Videos zu diesem und anderen Themen

Ein ganz wichtiger Punkt wird dabei sogar außer Acht gelassen und aus diesem resultiert ein großer Teil des Gefühls, dass der ganze Mist sowieso nichts bringt: nämlich die Nachhaltigkeit unserer Maßnahmen. Wie verfolgen wir, was mit unseren Entscheidungen passiert? Einigen wir uns auf irgendwas und hoffen dann auf das Beste?

Der Scrum Guide gibt vor, dass eine Maßnahme aus der Retrospektive beim Planning ins Sprint Backlog übernommen wird. So sorgt man dafür, dass es im Blick bleibt und tatsächlich bearbeitet wird. Das ist ohne Zweifel besser als nichts zu tun, der Nachteil liegt für mich aber darin, dass ich in meinem Backlog Fachliches und Organisatorisches miteinander mische. Dieser eine Backlog Eintrag bleibt immer ein Fremdkörper.

Die Scrum-Polizei sagt jetzt natürlich, dass ich an den Scrum Regeln nichts ändern darf, und dass das eben so ist. Ich neige dennoch dazu lieber innerhalb der Retrospektiven für die Nachverfolgung zu sorgen, weil ich dann im Thema bin.

Mein erster Tipp ist also, innerhalb der Retrospektiven einen Slot zu schaffen, in dem wir auf die Maßnahme(n) der letzten Retro blicken. Es ist gut möglich, dass sich aus dieser eine weitere ergibt, weil das Thema noch nicht komplett abgeschlossen ist. Über diese Themen möchte ich innerhalb der Retros sprechen, nicht in einem review, um es dann in der Retro weiterzuführen, um es dann wieder ins Planning zu schieben. In diesem Fall mache ich die Dinge also gern anders als es der Scrum Guide vorgibt.

Übrigens sprechen wir hier auch über Retrospektiven im allgemeinen, nicht nur im Scrum Kontext.

Gehen wir aber der Reihe nach vor: Set the Stage. Ich werde immer eine Form der Begrüßung und des Ankommens haben. Obwohl das natürlich ein wichtiger Punkt ist, müssen wir daraus keine Wissenschaft machen. ich muss nicht jedes Mal ein Spiel spielen, alle ihr Gesicht in Form einer Blume malen oder ihren Namen tanzen lassen. Ich möchte lediglich, dass meine Kollegen einmal durchatmen und zur Ruhe kommen, damit sie entspannt und zielgerichtet diskutieren können. Am einfachsten erreiche ich das mit fünf Minuten Smalltalk.

Eine Retrospektive machen wir mit Personen, die als Team zusammenarbeiten. Die haben immer Dinge, über die sie sprechen, wenn wir sie einfach lassen. Als Moderator kann ich mich daran beteiligen (wenn ich etwas beizutragen habe), um den Fluss dann nicht zu unterbrechen, sondern ihn nur umlenken zu müssen.

Oft genug muss ich das aber nicht einmal tun.

Wir kommen zur Magie des Laufenlassens. Unsere Kollegen werden automatisch sehr oft über Arbeitsthemen sprechen. Wenn ich bemerke, dass sie auf ein Thema stoßen, das gerade knirscht, das gerade nicht besonders rund läuft, kann ich ganz schlicht fragen, ob wir das jetzt thematisieren sollen. Darin steckt das ganz einfache Prinzip, dass das Formlose zielführender ist als das Formale, weil das Formlose weniger Einschränkungen gibt.

Eine Retrospektive hat zum Ziel, eine oder mehrere Maßnahmen zu finden, um unsere Zusammenarbeit zu verbessern (was auch immer wir unter »verbessern« verstehen). Dazu müssen wir das Thema auswählen, über das wir sprechen wollen. Stelle ich jedoch immer dieselbe offene Frage an dieselben Personen, bekomme ich selbstverständlich immer dieselben Antworten.

Das wird nur unterbrochen, wenn ein aktuelles Ereignis andere Dinge überstrahlt. Egal wie ich die Dinge drehe und wende, es bedeutet auch, dass ich immer wieder bei Null starte. Beginne ich also noch vor der Themensuche mit meinem Rückblick auf die letzte Retro und die dort abgeleiteten Maßnahmen, ist die Wahrscheinlichkeit recht groß, dass ich ein Thema weiterführen möchte.

Wenn es sich lohnt, darüber zu sprechen, dann ist es in aller Regel nicht in zwei Wochen komplett erledigt. Der zweite ganz wichtige Tipp ist: betrachtet die Retros als einen fortlaufenden Prozess und vermeidet, immer wieder bei Null zu starten. Macht das auch Euren Kollegen klar. Wenn ich hier kleine aufeinander aufbauende Schritte gehe, komme ich über die Zeit zu sichtbaren Veränderungen. Woche für Woche ein neues Thema anzugreifen, ist nicht zielführend. Bei den fachlichen Themen springe ich doch auch nicht wie ein wildgewordenes Warzenschwein von einer Ecke in die Andere.

Merkt Ihr jetzt, warum ich die Maßnahmen nicht einfach im Sprint-Backlog laufen lassen will?

Wahrscheinlich habt Ihr Euch schon gewundert, warum ich in der Überschrift von der »Dramaturgie der Retrospektiven« spreche, wo ich doch kaum auf den Ablauf dieses Events eingehe. Ich möchte, dass wir uns von der Betrachtung einer einzelnen Retro verabschieden und mehrere als einen fortlaufenden Prozess betrachten. Ja, am Anfang dieses Prozesses muss ich das Thema identifizieren, aber dann gehe ich vor wie mit meinen fachlichen Themen: Ich baue sie schrittweise aus. Die Arbeit in den Retrospektiven unterscheidet sich kaum von der Arbeit in Refinement, Planning und Review. Ich fasse diese drei Dinge nur in einem Event zusammen. Die Dramaturgie der Retrospektiven ist also identisch mit der Dramaturgie unserer fachlichen Arbeit.

Natürlich gibt es auch immer wieder Kleinkram, den ich nicht zugunsten der »großen« Baustellen ignorieren darf. Also muss ich einen Weg finden, diese zu integrieren. In einer Ausbaustufe dieser bisherigen Gedanken, ist es denkbar ein Retro-Backlog anzulegen, das ich fortlaufend mit Themen fülle, und das ich nach und nach abarbeite. Dies kann ich mit meinem fachlichen Backlog mischen, doch diese Lösung empfinde ich als äußerst ungünstig, weil ich so auch die Tätigkeitsbereiche von Product Owner und Scrum Master miteinander vermischen würde.

Kernaussage: Sorgt in Euren Retros für Kontinuität und Nachhaltigkeit. Themen setzen sich über mehrere Iterationen fort. Letztlich ist unsere Arbeit an unserem eigenen Vorgehen sehr ähnlich der Arbeit an fachlichen Themen.

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