Cartoon: Discussion Culture

Fragen wir in irgendeiner Runde in irgendeiner Form nach Verschwendung, werden Meetings meist zuerst genannt. Wir haben zu oft das Gefühl, endlos zu sprechen und nichts zu erreichen. Und obwohl jeder von sich selbst behauptet, die Formel für bessere und schnellere Meetings zu besitzen, ändert sich nicht besonders viel. Woran liegt das, und wie macht man wirklich bessere Meetings?

In jeder Organisation – ganz egal, ob wir uns in einem agilen Kontext bewegen – werden ständig Meetings durchgeführt. Wir wollen gemeinsam Entscheidungen treffen, wir wollen Wissen austauschen, wir müssen planen und begutachten. In Scrum moderiert meistens der Scrum Master, in allen möglichen anderen Runden moderier irgendjemand, weil wir meinen, dass Moderation nicht besonders schwierig sein kann. Hier haben wir jedoch schon einen schweren Irrtum. Moderatio ist weit mehr als das Vorlesen der Agenda und die Zusammenfassung der Kernaussagen.

Wir haben nur dann das Gefühl, an einem »guten« Meeting teilgenommen zu haben, wenn wir ein konkretes Ergebnis erzielt (wir waren also effektiv) und dabei nicht viel Zeit verschwendet zu haben (wir waren also effizient). Worauf müssen wir achten, um genau das zu tun?

Jeder von uns hat natürlich schon gehört, dass es kein Meeting ohne klares Ziel geben sollte. Leider sind wir schon bei diesem ersten grundlegenden Punkt allesamt furchtbar schlampig. Wir wollen uns austauschen ist kein Ziel. Nie.

Warum wollen wir uns austauschen? Was ist unsere Motivation? Welchem Schmerz wollen wir begegnen? Was geschieht, wenn wir es nicht tun? Ohne klare Motivation kann es kein klares Ziel geben. Wenn ich Schwierigkeiten habe, eine klare Motivation zu formulieren, dann habe ich auch Schwierigkeiten, einen Grund zu finden, überhaupt ein Meeting durchzuführen.

Euch ist wahrscheinlich schon aufgefallen, wie häufig ich in diesen ersten Zeilen das Wort klar verwendet habe. Ohne Klarheit in unserer Motivation, in unserem Ziel, in unserem Weg zum Ziel und in unserem Abschluss und weiteren Vorgehen werden wir weder Effektivität noch Effizienz erreichen.

Hier findet Ihr eine Übersicht von Videos zu diesem und anderen Themen

Nur aus einer eindeutigen Motivation heraus kann ein eindeutiges Ziel entstehen. Deswegen ist ein Austausch als Ziel so schwierig. Warum wollen wir Informationen austauschen? Weil eine andere Abteilung ein ganz bestimmtes Set an Informationen braucht (und andere eben nicht), um vielleicht selbst eine Entscheidung über ein weiteres Vorgehen zu treffen. Machen wir uns die Motivation bewusst, lernen wir auch sehr viel über das eigentliche Ziel. Im Fall eines Wissensaustausches lernen wir, welches Wissen ausgetauscht werden muss. Wir lernen über die Motivation also die Grenzen unseres Scopes kennen.

In so einem Beispiel wird aus dem Ziel wir wollen uns Mal austauschen: Weil Abteilung X das weitere Vorgehen in Sache Y planen muss, benötigt es die Informationen A, B, C und D. Da Rückfragen zu erwarten sind, wählen wir das Gespräch anstatt des schriftlichen Austausches.

Ein solches Ziel ist überprüfbar – ein Grundsatz, der für jedes Ziel gelten muss, andernfalls ist es kein Ziel.

Wahrscheinlich wird in diesem Szenario nicht das gesamte Team teilnehmen müssen. Meetings fühlen sich oft überfrachtet an, und sie sind es auch, weil wir sehr inkonsequent bei der Frage nach dem kleinsten Kreis sind, den wir benötigen. Eine Person einzuladen, weil sie sich beschwert, wenn sie nicht eingeladen wird, ist kein Grund. Wir laden genau die Personen ein, die etwas beitragen oder etwas mitnehmen können – nicht einen mehr.

Wenn es dann endlich losgeht, beginne ich damit, nichts zu tun.

Lasst Eure Kollegen ruhig fünf Minuten quatschen und Witze erzählen. Wir brauchen diese kleine Phase der Entspannung, bevor wir loslegen. Das nicht zu tun, wird nur dazu führen, dass wir uns von der ersten Minute an auf einem hohen Stresslevel bewegen. In zu vielen Organisationen werden Besprechungen noch stoßweise aneinandergelegt, d.h. dass eines zur vollen Stunde endet und das nächste in der nächsten Minute beginnt. Unsere Kollegen haben keine Möglichkeit, einmal durchzuschnaufen, pinkeln zu gehen, eine zu rauchen und sich einen neuen Kaffee zu holen. Wenn das der Fall ist, ist man einfach gestresst, und konzentriertes ruhiges Arbeiten ist nicht möglich.

Wenn mehr als eine Person dabei ist, die von einem Meeting zum anderen springt, werden die Runden extrem schwierig. Man ist gestresst, und die Konzentration lässt nach. Wir merken das daran, dass der Moderator immer wieder eingreifen muss. Die Stimmung kippt dann auch sehr schnell, weil niemand gern unter Druck arbeitet. Wenn wir dann noch mehr Druck aufbauen, indem wir sofort Gas geben, sorgen wir nur dafür, dass die Konzentration bei allen im Keller ist.

Wir sind besser dran, wenn wir unseren Kollegen zu Beginn ein paar Minuten Pause gönnen, die sie zur Entspannung nutzen können. Der Fünf-Minuten-Plausch mit dem Kollegen findet dann eben in den ersten fünf Minuten des Meetings statt. Das ist eine Investition. Es nicht zu tun, kostet uns im Laufe der dann folgenden 45 Minuten weit mehr. Glaubt mir.

Das ist ganz besonders wichtig, wenn alle im Homeoffice sind, weil dann weitere Belastungsfaktoren hinzukommen.

Als Moderator mache ich dann allen Beteiligten nicht nur die Agenda, sondern vor allen Dingen das Ziel und die Motivation klar. Wenn diese Dinge klarer sind, wird man selbst auch ganz automatisch klarer und zielgerichteter diskutieren. Je mehr Unklarheit über Motivation und Ziel herrscht, desto unklarer und zerfaserter wird die Diskussion, weil sich jeder sein eigenes Ziel und seine eigene Motivation macht.

Als Moderator liegt meine Aufgabe dann nicht nur darin, auf die Uhr zu sehen und die Diskussion eventuell wieder einzufangen, wenn sie aus dem Ruder läuft. Ich habe einen Werkzeugkoffer, mit dem ich Entscheidungsfindungen unterstützen kann. Ich frage nicht erst, wie wir entscheiden wollen (wenn dies das Ziel unseres Meetings sein sollte). Ich habe etwas vorbereitet oder bin erfahren genug, spontan etwas Sinnvolles aus dem Ärmel schütteln zu können.

Der Job des Moderators ist nicht, dafür zu sorgen, dass eine Diskussion in geregelten Bahnen abläuft. Sein Job ist es, dafür zu sorgen, dass eine Diskussion effektiv und effizient ist. Das kann sie zwar nur sein, wenn sie auch in geregelten Bahnen abläuft, aber vor allen Dingen brauchen wir den Weg zum Ziel.

Wollen wir eine Entscheidung treffen, ist das Vorgehen im Kern immer gleich: Wir verstehen unser Problem, wir sammeln Lösungsoptionen, wir verstehen diese Lösungsoptionen, wir bewerten diese Optionen, wir treffen eine Entscheidung, wir einigen uns auf den nächsten Schritt.

Wenn ich diese Dinge als Moderator immer im Kopf habe, und sie auch klar voneinander trenne, dann ist das Ziel schon fast erreicht. Diese Trennung der einzelnen Segmente ist deswegen so wichtig, eil es uns hilft, den eigentlich sehr komplexen Vorgang einer Entscheidung in kleine Einheiten aufzuteilen. Dem kann dann jeder folgen, weil man sich nur auf einen Teil des Gesamten konzentrieren muss.

Vermischen wir diese Abschnitte miteinander, sind einige schon in der Lösungsfindung, während andere noch nicht einmal das Problem verstanden haben. Es dürfte uns allen klar sein, dass das keine gute Idee sein kann.

Wir merken dann auch, dass die Dinge durcheinandergeraten. Wir springen von Lösung zu Frage zu Lösung zu Entscheidung und wieder zurück. Das fühlt sich nicht nur konfus an, das ist es auch. Niemand fühlt sich in so einer Diskussion wohl. Sie ist nicht zielgerichtet. Wir klären also zunächst alle Verständnisfragen, bevor wir einen Schritt weiter gehen und schließen diesen Punkt auch sichtbar ab. Durch ein solches Abschließen eines Zwischenschrittes, haben auch alle Teilnehmer das Gefühl, etwas erreicht zu haben. Das macht den nächsten Schritt einfacher.

Diese Struktur, die wir so einem Meeting verleihen, macht Fortschritt sichtbar. Unterschätzt bitte nicht, wie wichtig dieser Effekt ist.

Im zweiten Teil dieser Miniserie werden wir über Techniken, die eigentliche Entscheidung und die Weiterführung sprechen. Wenn Ihr Unterstützung braucht, sprecht einfach mit mir.

Kernaussagen: Kein klares Ziel ohne klare Motivation. Die Aufgabe des Moderators liegt darin, die Diskussion schrittweise voran zu führen – über Verstehen, Sammeln, Bewerten, Entscheiden. Eine Vermischung dieser Abschnitte führt direkt in die Diskussionshölle. Um dies zu tun, benötigt ein Moderator ein Set an Techniken.

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