Cartoon: Error Culture

Zu wenigen Begriffen gibt es mehr Missverständnisse als zu diesem. Wir setzen nicht nur ganz gern den Begriff automatisch mit einer verzeihenden Fehlerkultur gleich, uns ist auch selten bewusst, warum wir das tatsächlich brauchen, und wie viel Arbeit darin steckt.

»Wir brauchen eine Fehlerkultur« ist ein Ruf, der seit vielen Jahren durch die endlosen Korridore unserer Unternehmen hallt. Meistens ist damit gemeint, dass einer Person nicht mehr der Kopf abgerissen werden soll, wenn etwas schiefläuft.

Im Grundsatz bin ich da bei Euch, aber die Sache ist leider sehr viel komplexer, wenn sie uns wirklich helfen soll. Zum einen liegt das in der Natur des Begriffs, zum anderen gibt es immer Bereiche, in denen nichts schieflaufen darf.

Der Begriff »Fehlerkultur« bedeutet lediglich, dass es einen definierten konsistenten Umgang mit Fehlern gibt. Das sagt noch nichts darüber aus, wie der aussieht. Zu sagen, wir bräuchten eine Fehlerkultur, und zu meinen, wir bräuchten eine verzeihende Fehlerkultur, wird zwangsläufig zu Missverständnissen führen. Darüber hinaus reicht das bei weitem nicht aus.

Auch bei jedem noch so kleinen Fehler den Schuldigen zu suchen, um ihm in den Arsch zu treten, ist eine Fehlerkultur. Es ist ein konsistenter definierter Umgang mit Fehlern, oder etwa nicht? Ob uns das in irgendeiner Form hilft, ist eine ganz andere Frage. Und damit bin ich beim ersten Kernpunkt: Was wollen wir eigentlich erreichen?

Sehr oft sieht die Argumentation etwa folgendermaßen aus:

Wir befinden uns in der Transformation. Dazu gehört, dass sowohl Teams als auch Einzelpersonen eigenverantwortlich agieren und dass wir an unserem eigenen Vorgehen und unseren Methoden arbeiten. Dabei werden wir Experimente machen müssen. Muss jemand Strafen befürchten, wenn diese schiefgehen, wird niemand etwas ausprobieren, ergo werden wir uns nicht entwickeln.

Hier findet Ihr eine Übersicht von Videos zu diesem und anderen Themen

Auch hier bin ich um Grundsatz bei Euch, aber eine Fehlerkultur ist ein paar Nummern größer. Am Anfang unserer Reise fragen wir uns natürlich, was wir erreichen wollen. Geht es uns lediglich darum, Experimente in unserem eigenen Vorgehen nicht zu behindern, dann ist das ein äußerst begrenzter Wirkungskreis, mit dem wir vielleicht anfangen können, bei dem ich aber nicht aufhören will. Neben dem wie tun wir es steht schließlich noch das was tun wir.

Ich würde als Unternehmen z.B. gern wissen, wie ich auf einen Fehler reagiere, damit ich nicht immer wie ein kopfloses Hühnchen rumrennen muss, wenn ich eigentlich schnell und nüchtern reagieren sollte. Mit einer Fehlerkultur kann ich sowohl meine Reaktion steuern als auch an meiner Qualitätssicherung arbeiten.

All das bekomme ich natürlich nicht umsonst. Fehlerkultur macht Arbeit. Beginnen wir also beim Start: was wollen wir erreichen? Der Wunsch, Experimente im eigenen Vorgehen zu ermöglichen, als Organisation angemessen und schnell auf Fehler zu reagieren, und darüber hinaus weniger Fehler zu produzieren – also an unserer Qualitätssicherung zu arbeiten – klingt für mich erst einmal recht sympathisch.

Wir werden das nicht allein in einem einzelnen Team angehen können. Auch wenn wir innerhalb eines Teams fragen können, wie wir damit umgehen, wenn wir Mist bauen, ist die Fehlerkultur doch im allgemeinen größer aufgestellt. Wir müssen uns also über die Abteilung oder sogar über die Gesamtorganisation verständigen und einigen. Wir werden uns auch alles Schritt für Schritt erarbeiten müssen. Unterschätzt die Sache bitte nicht – es steckt eine Menge Arbeit darin, weil wir nicht nur quatschen sondern auch an die Prozesse ran müssen.

Wen wir dafür alles brauchen, hängt natürlich von unserer Organisation ab, aber macht den ersten Aufschlag lieber in kleinerer Runde, damit wir nicht sofort endlos über kleinste Details diskutieren müssen. Es wird sich ganz automatisch zeigen, wenn wir weitere Personen bzw. Rollen hinzuziehen müssen.

Bei jedem Wunsch nach einer verzeihenden Fehlerkultur muss uns klar sein, dass einige Dinge einfach nicht passieren dürfen. Ein Beispiel: wir bewegen uns im Finanzumfeld. Wenn plötzlich Buchungen Amok laufen, haben wir ein massives Problem. Das bedeutet, dass wir unterschiedliche Fehlerklassen zwischen Weltuntergang und Kleinscheiß brauchen.

Ich würde Euch dazu raten, das nicht zu fein abzustufen. Ihr macht Euch nur unnötig viel Arbeit. Im allgemeinen reichen drei oder vier Fehlerklassen vollkommen aus, die wir nach den Fragen bilden, wie viele Personen betroffen und wie schwerwiegend die Auswirkungen sind. Dabei wollen wir natürlich wissen, wie wir sowohl nach innen als auch nach außen reagieren. Wie kommunizieren wir? Wann fixen wir?

Mit diesen Fragen hätten wir geklärt, wie wir als Unternehmen reagieren, womit wir schon eine Menge erreicht hätten. Die Sache mit den Experimenten im eigenen Vorgehen löst sich in den Fehlerklassen auf. Hat es Auswirkungen nach außen? Wann fixen wir? Wie kommunizieren wir? Ist alles ein und dasselbe.

Was wir jedoch noch nicht berücksichtigt haben, ist das Verbesserungspotential in unserer Qualitätssicherung. Hier fängt die Arbeit richtig an. Für die definierte Reaktion der Organisation auf Fehler muss ich mich einmal einigen und mich in Zukunft an diese Einigung halten. Auch das kommt zwar – wie alles andere auch – in unseren ständigen Verbesserungskreislauf, wird uns aber nicht ständig Arbeit machen.

Ersetzen wir jedoch die Frage wer hat es versaut durch wo liegt die Schwäche in unserem System, die dafür sorgt, dass solche Dinge rausgehen, werden wir immer wieder auf die Suche nach Schwachstellen in unserer Qualitätssicherung gehen. Wir werden dazu gezwungen, immer wieder an unseren Tests zu arbeiten, und Lösungen zu finden, wie wir Löcher stopfen können. Wir werden damit auch an unseren Prozessen arbeiten. Das ist aufwändig. Das ist anstrengend. Das kostet Zeit. Das erfordert Disziplin. Aber es wird dazu führen, dass wir Schritt für Schritt wenige Fehler produzieren.

Die Frage nach der Schwäche im System werden wir uns natürlich nicht immer stellen – nicht bei jedem kleinen Dreck. Aber sobald die Dinge etwas teurer werden, hilft uns diese Frage dabei, langfristig zu sparen. Natürlich macht es weniger Aufwand, einen Fehler einmal zu fixen und es dabei zu belassen. Suche ich nach der Schwäche im System ist das natürlich zunächst einmal eine Investition, die sich nur dann bezahlt macht, wenn ich einen ähnlichen Fehler dadurch vermeiden kann, den ich erneut fixen müsste.

Wie oben schon angedeutet, haben wir durch die Fehlerklassen auch unterschiedliche Skalierungen in unserer Organisation, die betroffen sind. Kleinkram kann wahrscheinlich innerhalb des Teams bleiben. Ein Bugfix wird irgendwann einpriorisiert, und die Sache ist erledigt. Man muss sich keine Gedanken über eine Unternehmenskommunikation und eine koordinierte Anstrengung zur Fehlerbeseitigung machen. Dennoch ist es auch hierbei hilfreich, wenn unterschiedliche Teams zumindest ähnliche Reaktionsmuster haben. Das hilft uns sowohl mit unseren Kunden und Anwendern als auch in den Abstimmungen intern. Das müssen wir nicht komplizierter machen als es ist, aber wir sollten uns zumindest einmal einigen, wie wir grundsätzlich auch mit Kleinkram umgehen.

Vielen unserer Überlegungen und Aktionen übergeordnet ist der Wunsch, Fehler zu versachlichen, um sie in Zukunft zu vermeiden. Eine Hexenjagd mit anschließender Bestrafung des Verantwortlichen hilft niemandem. Wir wollen nicht platt behaupten, ein Fehler sei eine gute Gelegenheit, etwas daraus zu lernen. Wir wollen Probleme lösen. Das können wir nur tun, wenn wir Dinge sachlich und nüchtern betrachten.

Haben wir eine Lücke in unserer Qualitätssicherung, die dafür sorgt, dass ähnliche Fehler mehrfach ausgeliefert werden, dann ist das selbstverständlich ein systematisches Problem, das ich nicht dadurch löse, dass ich dem in den Arsch trete, der diesmal das Pech hatte, es zu versauen.

 Das bedeutet jedoch nicht, dass wir bei (nennen wir es mal) grober Fahrlässigkeit nicht auch unangenehme Gespräche führen werden. Mit einem einfachen Anschiss ist da jedoch auch nicht viel gewonnen, wir wollen doch herausfinden, wie wir diese Dinge in Zukunft vermeiden.

Fehlerkultur bedeutet damit nicht, dass alles erlaubt ist und konsequenzlos bleibt, es bedeutet vor allem, dass Dinge versachlicht werden.

Kernaussagen: Der Begriff »Fehlerkultur« sagt nichts weiter aus, als dass wir einen definierten konsistenten Umgang mit Fehlern haben. Wie dieser aussieht, müssen wir erarbeiten. Unser Ziel dabei ist es, unsere Fehlerkultur dazu zu nutzen, unser Vorgehen anzupassen, z.B. in der Qualitätssicherung.

Wenn Sie mehr erfahren möchten, wenn wir mit Ihren Teams und Führungskräften an diesem und anderen Themen arbeiten sollen, sprechen Sie mich ganz einfach an.

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