Cartoon: We all want honest feedback

Wir haben uns beim letzten Mal gemeinsam klar gemacht, dass mit einer Agilen Transformation auch ein Kulturwandel einhergeht. Was dazu gehört, und wie wir das praktisch tun können, wollen wir uns heute etwas genauer betrachten.

Ich gehöre zu den Personen, die immer wieder sagen, dass viele Wege nach Rom führen, und dass wir viele Optionen haben, wie wir Dinge angehen können. Mit der Kultur ist es allerdings aus meiner Sicht ein wenig anders. Zumindest möchte ich einen Weg zeigen, der mit ziemlicher Sicherheit nicht zum Ziel führt.

Bevor wir dies tun, müssen wir uns aber ein mikroskopisch kleines Mindestmaß an Theorie ansehen:

Sehr stark vereinfacht können wir sagen, dass sich Kultur auf zwei Ebenen bewegt, einer Werte- und einer Handlungsebene. Menschen haben Werte und Ansichten, aus denen sich Handlungsweisen ergeben. Wir können Handlungsweisen durch Regelungen vorgeben. Wenn diese jedoch nicht durch die passenden Werte der handelnden Personen gestützt werden, bleibt die Handlung hohl – Ihr fehlt der Kontext. Das wird mittel- und langfristig dazu führen, dass diese Handlung den geltenden Werten angeglichen wird.

Andersherum ist es genauso. Wenn wir versuchen, die Werte zu ändern (was nicht besonders einfach ist), die Handlungsebene jedoch nicht folgt bzw. nicht unterstützt wird, erhalten wir wieder eine Diskrepanz. Wir versuchen immer, unsere Handlungen an unsere Werte anzupassen. Das ist ganz natürlich und menschlich.

Wichtig auch die Erkenntnis, dass die ganze Sache kein Henne-Ei-Problem ist. Die Handlungen folgen den Werten. Werte sind zuerst da, und sie lassen sich nur schwer durch Handlungen beeinflussen.

Viele Organisationen haben erkannt, dass sie ein Kulturthema haben, und bemühen sich jetzt, dieses anzugehen. Oft wird dazu eine »Kulturoffensive« gestartet, in der es natürlich eine Kulturbroschüre gibt, in denen den Kollegen in epischer Breite erklärt wird, welche Werte für das Unternehmen gelten, und welche Handlungen erwünscht sind. Vielleicht gibt es auch eine neue Kulturecke im Intranet mit Austauschmöglichkeiten und eine CoP Kultur (Community of Practice).

Hier findet Ihr eine Übersicht von Videos zu diesem und anderen Themen

Diese Brechstangenmethode ist natürlich der Ausdruck des Wunsches nach schnellen Ergebnissen. Darum wird Kultur an sich thematisiert, und die Sichtweise ist die der Gesamtorganisation. Daraus ergeben sich ein paar Probleme. Das größte dabei ist vielleicht, dass die Werte des Unternehmens erst zu den Werten von Personen werden müssen, bevor sie mit den Handlungen zusammenpassen.

Wir versuchen, dies durch Gespräche und Übungen abzufangen. Das wird jedoch nicht funktionieren, weil wir den Wandel von persönlichen Werten nicht in zwei Workshops erreichen. Vergessen wir nicht: dem gegenüber steht ein ganzes Leben an Werteaufbau.

Was ist der Ausweg aus diesem Dilemma?

Mein Vorschlag ist, Kultur nicht als Thema zu isolieren, sondern immer mitlaufen zu lassen. Das bedeutet, dass die Personen, die in der Agilen Transformation stecken (das sind nicht nur unsere Scrum Master, sondern auch unsere Führungskräfte) diesen Zusammenhang zwischen kulturellen Themen und Agiler Transformation vollständig begreifen und ihn auch weitervermitteln können.

Wir sprechen dabei nicht von einem abstrakten Kulturwandel, sondern von den konkreten Dingen, die wir für unsere Agile Transformation benötigen, von der Art und Weise, wie wir miteinander kommunizieren möchten, wenn das alles funktionieren soll, von der Arten von Feedback, die wir benötigen, von den Formen der Zusammenarbeit, die wir uns wünschen. Und bei all dem immer ganz wichtig: warum.

Warum brauchen wir eine bestimmte Form der Kommunikation? Warum brauchen wir Feedback in welcher Form? Warum ist Disziplin so wichtig? Nichts geschieht grundlos. Nichts wird unseren Kollegen einfach so vor die Nase gesetzt. Wir brauchen die offene Kommunikation auf Augenhöhe, weil wir nur so an ehrliches und sachliches Feedback kommen. Nur mit diesem ehrlichen und sachlichen Feedback kommen wir in den Regelkreis Plan – Do – Check – Act. Nur so kommen wir in den Kreis aus Tun und Lernen. Nur so können wir die eigentlich erhofften Früchte ernten.

All dies geschieht überall. Wir thematisieren diese Dinge in den Teams ebenso wie auf allen skalierten Ebenen, und am besten dafür geeignet sind die Personen, die auch an unseren Methoden arbeiten. In den Teams sind das die Scrum Master oder unsere Agile Coaches. Auf den anderen Ebenen müssen wir diese Personen identifizieren. Sind das die gleichen? Sind das bestimmte Führungskräfte? Diese werden unsere ersten Schüler, damit sie dann Lehrer werden können.

Dahinter steckt natürlich auch das Prinzip der Skalierung in die Breite, weg von der zentralisierten Steuerung durch eine »Arbeitsgruppe Kultur« hin zu einer ganz natürlichen Einbindung in die tägliche Arbeit.

Damit erreiche ich noch einen weiteren ganz wichtigen Punkt: ich verabschiede mich von Kultur als Event. Wir haben keine Kulturversanstaltungen in Form von speziellen Workshops. Meiner Erfahrung nach bringen solche Events nur etwas, um unsere Coaches zu coachen, nicht aber, um in der Breite zu skalieren. Unsere Coaches und Multiplikatoren müssen fit sein und die Zusammenhänge kennen. Die brauchen sowohl Methoden als auch theoretische Hintergründe. In der Breite möchten wir Kultur nicht isolieren, wir möchten sie in unsere tägliche Arbeit einbinden. So stellen wir nicht zuletzt auch die ständige Beziehung zwischen Werte- und Handlungsebene her.

Wenn es uns gelingt, diesen Zusammenhang in unseren Unternehmen breit zu streuen und allen klar zu machen, dann ist der Rest nicht einmal mehr schwer. Wir müssen das Thema nicht komplizierter machen, als es ist.

Es bleibt dennoch dabei, dass wir keine schnellen Erfolge erzielen werden. Wir können noch so viele Workshops durchführen – es wird nur wenig helfen. Wenn es uns gelingt, die wenigen Basisthemen, Tag für Tag in unserer täglichen Arbeit zu platzieren, dann werden wir uns schrittweise weiterentwickeln.

Und noch eine Kleinigkeit: Vergesst dabei Eure Prozessmanager nicht. Wenn es in Euren Organisationen Prozessmanager gibt, dann stecken die natürlich ganz tief in Methoden und Arbeitsweisen. Wir sollten diesen Personenkreis also nicht vergessen, sondern sie sehr früh in unser Überlegungen miteinbeziehen.

Kernaussagen: Das Thema Kultur sollte keinesfalls isoliert, sondern immer im Kontext behandelt werden, um Werte- und Handlungsebene zusammenzuhalten.

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