Cartoon: Eine Lektion in Effizienz

Alle wollen sparen, und in vielen Unternehmen stößt der Gedanke, eine Person pro Team zu haben, die sich im Kern um die Arbeitsweisen des Teams kümmert, auf Unverständnis. Zu teuer und ineffizient, so die Argumentation. Scrum Puristen werden aufschreien, aber gibt es trotzdem eine Möglichkeit, auf einen Scrum Master zu verzichten? Mal ganz nüchtern betrachtet?

Ganz vorweg: Scrum ohne Scrum Master ist nicht mehr Scrum. Vielleicht gelingt es uns trotzdem, Agile zu leben, aber Scrum nenne ich es dann ganz bestimmt nicht mehr. Es wird die Mutter aller ScrumButs sein, aber ist das tatsächlich so ein riesiges Problem, oder folgen wir einer Form, nur um der Form zu folgen?

Wenn ich eine der drei Rollen aus dem Scrum Framework herausnehme, verändere ich es so stark, dass ich nicht mehr davon sprechen kann, nach Scrum vorzugehen. Tue ich es dennoch, mache ich mir selbst etwas vor. Diese Dinge sollten wir unbedingt vermeiden, aber wem sage ich das? Versucht mal, Euch mit anderen über eine Sache auszutauschen, die Ihr selbst nur in stark abgewandelter Form lebt. Macht keinen Spaß.

Möchten wir uns also ernsthaft mit der Frage auseinandersetzen, ob ein Scrum Team ohne Scrum Master funktionieren kann, müssen wir sie umformulieren. Es geht doch eher darum, ob ein Team auch ohne Agile Coach oder Agile Master (oder wie ich diese Person auch immer nennen mag) Agilität leben kann.

Bevor ich dahin komme, möchte ich aber zunächst noch auf andere Aspekte eingehen. Viele Unternehmen finden einfach nicht genug passende Scrum Master und behelfen sich damit, einen für zwei oder sogar noch mehr Teams einzusetzen. 

Ein guter Scrum Master kann in zwei Teams arbeiten, ein sehr guter in einem – alles schon gehört. Blablabla.

Meine Meinung hierzu ist, dass ein erfahrener Scrum Master durchaus in zwei Teams wirken kann. Auch bei der Scrum Einführung ist das möglich, macht es aber natürlich schwieriger. Drei Teams oder sogar noch mehr (wie gelegentlich schon beobachtet) würde ich keinesfalls empfehlen. Hier wird es schon fast unmöglich, alle Termine für die Zeremonien so zu legen, dass der Scrum Master überall teilnehmen kann. Hinzu kommt, dass man nur noch etwa 1,5 Tage pro Woche in einem Team sein kann. Das halte ich für zu wenig.

Hier findet Ihr eine Übersicht von Videos zu diesem und anderen Themen

Zwei Teams kann man noch recht gut koordinieren, wenn man peinlich genau darauf achtet, keines zu »bevorzugen«, z.B. indem man seinen Schreibtisch im Raum des einen Teams hat und das andere immer nur zu den Regelterminen besucht. 

Wenn ich zwei Teams betreue, dann wechsle ich täglich oder wöchentlich meinen Sitzplatz, wenn es sich irgendwie einrichten lässt.So ist man noch dicht genug am Team, um auch die Feinheiten zu sehen. Komme ich als Scrum Master immer nur zu Besuch, bin ich nicht wirklich Teil des Teams, aber gerade das muss ich sein, wenn ich meinen Kollegen helfen will.

In der Rolle neue Kollegen sollten nicht gleich mit zwei Teams starten. In den ersten Monaten (ich würde sogar sagen: in den ersten zwei Jahren) ist man noch so sehr mit sich selbst beschäftigt, muss ständig noch so viel lernen, dass man nicht wirklich für zwei Teams da sein kann. ich brauche mehr Zeit, alles vorzubereiten. Es fällt mir schwerer, schwierige Situationen im Team aufzulösen. Es gibt viele Gründe, nicht zu schnell zu viel zu wollen. Im schlimmsten Fall machen wir nur Dinge kaputt.

Bitte nicht falsch verstehen: auch ich lerne ständig dazu. Auch sehr erfahrene Scrum Master, die schon in mehreren Teams oder sogar in mehreren Unternehmen gearbeitet haben, lernen ständig dazu, aber Vieles geht nach einiger Zeit natürlich leichter von der Hand. Ich brauche nicht mehr mehrere Stunden, um eine Retrospektive vor- und aufzubereiten. Diese Dinge gehen mit wachsender Erfahrung einfach schneller.

Bis jetzt hab eich mich erfolgreich vor der Antwort gedrückt, ob ein Team auch ohne Agile Coach oder so erfolgreich agil arbeiten kann. Die Antwort ist jedoch recht einfach: In der Theorie kann es das natürlich. Ich darf mir das aber keinesfalls so einfach vorstellen, dazu gehört nämlich verdammt viel Disziplin. Und daran scheitern am Ende alle.

Zunächst einmal denke ich, dass das Team schon einen hohen Reifegrad benötigt, weil das Grundprinzip Agile – der Regelkreis aus Plan, Do, Check, Act als iteratives empirisches Vorgehen – in Fleisch und Blut übergegangen sein muss. ist das noch nicht zur Gewohnheit geworden, hat das team ohne Agile Coach oder Scrum Master, der ständig dabei ist, keine Chance, seine Gewohnheiten zu ändern. Man wird die Dinge dann sehr schnell wieder so machen, wie man es kennt, weil es scheinbar einfacher ist. Das Gewohnte ist immer zunächst einfacher.

Aber auch ein reifes Team wird es sehr schwer haben. Der Scrum Master ist auch unser Gutes Gewissen. Er fragt nach, ob unser Vorgehen, noch auf Agile passt. Er legt sein Veto ein, wenn er die Regeln verletzt sieht. Ist er nicht mehr da, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass sich Muster einschleichen, die in die Alte Welt zurückführen. Man plant doch einmal einen längeren Zeitraum, weil ja scheinbar alles klar ist. Deswegen verzichtet man jetzt auch einmal auf den Austausch mit dem Kunden, weil man das ja schon beim letzten mal besprochen hat usw.

Glaubt mir, das geht schneller als Ihr denkt.

Um es kurz zu machen: ich habe noch nicht ein Team gesehen, das ohne die Unterstützung eines »Methodenwächters« lange durchgehalten hätte, ohne wieder in alte Muster zurückzufallen.

Gelegentlich begegnet mir auch der Wunsch, dass der Product Owner, diese Rolle ja auch mit übernehmen könnte, also sowohl fachlich als auch methodisch im Mittelpunkt zu stehen. Auch das wird nicht funktionieren. der Job des Product Owners wird einfacher, wenn er nicnt von Iteration zu Iteration denken und handeln muss, wenn er in größeren Einheiten planen kann, wenn er hier und da auf Feedback verzichtet, weil die Annahmen »garantiert richtig« sind. Auch mit den besten Absichten wird man sich nach und nach das Leben leichter machen. Vielleicht ist einmal wenig Zeit, oder die Dinge sind scheinbar vollkommen klar. Früher oder später wird auch dieses Modell zu einem elenden Gekrampfe werden. Vertraut mir: Spart Euch das. Ihr macht Euch so nur unglücklich.

Controlling und Personal jammern jetzt. Ist mir schon klar. ich garantiere Euch aber, dass es am Ende teurer wird, auf den einen Agilen im Team (oder meinetwegen auch in zwei Teams) zu verzichten. betrachtet diesen als Investition, die sich dann bezahlt macht, wenn die teams ihren Rhythmus gefunden haben.

Ein letztes Modell, dass hier und da mal versucht wird, ist ein Agile Coach pro Abteilung, also für einen ganzen Arsch voll Teams. Manchmal für zehn oder zwölf. Der soll den Teams dann nur Selbstorganisation beibringen und Regeln aufstellen.

Das ist vollkommener Quatsch. Vergesst das bitte sofort wieder.

Ob diese eine Person nun da ist, oder überhaupt niemand, macht keinerlei Unterschied. Der ist so weit weg von den Teams, dass die trotzdem machen, was sie wollen. Allein durch das Aufstellen von Regeln werde ich überhaupt nichts verändern. Es beginnt schon damit, dass diese Regeln nicht mit Sinn und Verstehen unterfüttert sind. In der Wahrnehmung unserer Kollegen werden dies Regeln zum Selbstzweck. Unsere Kollegen werden die sabotieren und ignorieren, wo sie nur können.

Habe ich stattdessen in jedem Team jemanden, der nicht nur einmal erklärt, sondern imer wieder die Zusammenhänge aufführt, ist die Situation eine ganz andere. Dann stellen die Teams die Regeln selbst auf. Einer von ihnen achtet darauf, dass sie dann auch eingehalten werden. Das funktioniert. Alles Andere ist Quatsch. Das haben andere schon versucht und sind damit gescheitert.

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