Cartoon: Rewarding the Stars

Wir arbeiten seit Jahren darauf hin, das Team in den Mittelpunkt zu stellen und uns von individuellen Rollen zu verabschieden. Wir möchten das Team als homogene Einheit betrachten. Dabei stehen uns jedoch zwei Typen von Kollegen im Wege, und das ganz, ohne das zu wollen.

Wir lernen und lehren seit geraumer Zeit, nicht mehr einzelne Personen herauszustellen, sondern das gesamte Team in den Fokus zu rücken. Ist etwas Tolles passiert, war es eine Teamleistung. Ist etwas nicht so Tolles passiert, muss das ganze Team es in Ordnung bringen. Und vor allen Dingen gelten für alle Mitglieder unserer Teams die gleichen Regeln.

Versteht mich nicht falsch, das ist genau der richtige Weg. Ab und zu kommen wir jedoch an Personen, bei denen das einfach nicht funktioniert, und das sind die Superstars. Ich spreche jetzt nicht von den selbsternannten Stars, die sich alle möglichen Freiheiten herausnehmen und sich wie eine Diva aufführen, aber bei genauerer Betrachtung auch nicht viel mehr leisten als alle anderen. Mit denen müssen wir vielleicht ein ernstes Gespräch unter vier Augen führen, dass das so nicht geht, und dass die Teamregeln für alle gleichermaßen gelten.

Fürchtet Euch nicht davor, auch Mal ein unangenehmes Gespräch zu führen. Es ist nicht Eure Aufgabe, immer der nette Kollege zu sein, den alle mögen. Wenn wir ein faules Ei im Nest haben, das uns das Teamgefüge kaputt macht, dann schreiten wir ein. Und wenn das bedeutet, dass wir jemandem klar machen müssen, dass für alle Beteiligten die gleichen Regeln gelten, dann muss das eben sein. Ihr helft Eurem Team nicht, wenn Ihr da keine Klarheit schafft. Und wir nehmen dafür auch das Risiko in Kauf, dass ein Kollege einmal beleidigt ist.

Natürlich führen wir ein solches Gespräch sachlich und in der gebotenen Ruhe. Wir erklären, dass es schwierig für ein Team ist, wenn nicht für alle die gleichen Regeln gelten. Vielleicht haben wir Glück, und unser Kollege hat einfach nicht bemerkt, dass er sich mit der Zeit mehr und mehr Freiheiten herausgenommen hat, ist einsichtig, und zeigt danach echtes Bemühen. Euer Team wird dieses Bemühen bemerken und ihn sogar dabei unterstützen. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird sich alles auflösen, und alles ist gut.

Hier findet Ihr eine Übersicht von Videos zu diesem und anderen Themen

Ist der Kollege nicht einsichtig, müssen wir ihm klarmachen, dass wir es nicht zulassen werden, dass eine einzelne Person ein Teamgefüge zerstört. Im schlimmsten Fall bedeutet das, dass sich jemand ein neues Team suchen muss, wenn die Starallüren nicht irgendwann aufhören.

Jetzt aber genug von den selbsternannten Stars, hier soll es um die Echten gehen. Mit denen ist der Umgang nämlich weit schwieriger.

Unter »Superstars« verstehe ich die Leute, die einfach anders funktionieren als andere, viel mehr Freiheiten brauchen, um überhaupt zu funktionieren, aber dann die Probleme lösen können, die für andere unlösbar sind, die den superheißen Scheiß bauen, dann wieder einen halben Tag Tetris spielen und Kaffee trinken, um danach wieder Irgendwas zu machen, was alle aus den Socken haut.

Sorry für den Begriff »funktionieren«. Ich mag das Wort selber nicht, wenn man es im Zusammenhang mit Menschen nutzt, aber mir fällt im Moment kein besserer Ausdruck ein.

Aber zurück zum Thema.

Bei diesen Kollegen kommen wir in ein Dilemma: Auf der einen Seite gibt es keinen Star im Team, das Team ist eine homogene Einheit, und alles ist eine Teamleistung. Das bedeutet natürlich auch, dass für alle die gleichen Regeln gelten. Wenn wir jedoch anfangen, diese Leute an die Kette zu legen, verwelken die, gehen ein wie die Primeln und kriegen am Ende Garnichts mehr auf die Kette. Wir haben dann zwar die Ruhe im Team bewahrt, aber unglaublich viel Potential versemmelt.

Das andere Ende unserer Handlungsoptionen liegt darin, den Superstars komplette Narrenfreiheit zu gewähren, was nur den Unmut (und das ist eine äußerst freundliche und zurückhaltende Formulierung) der übrigen Teammitglieder hervorrufen würde. Damit machen wir das ganze Team kaputt. Mit anderen Worten: lasst das bloß sein.

Die Kunst und unsere Hoffnung liegen in der Balance. Dafür brauchen wir die Mitwirkung aller. Wir wissen, dass die Superstar-Kollegen einfach etwas anders ticken und ein paar Freiheiten brauchen, um den superheißen Scheiß zu bauen, und wir wollen den superheißen Scheiß natürlich haben.

Erfreulicherweise wissen das auch die anderen Kollegen im Team. Im Allgemeinen haben Teams ein sehr gutes Gespür dafür, wenn einer mehr Luft braucht. Und ein Team ist auch bereit, mehr Luft zu geben, wenn dafür etwas zurück kommt. Mir ist noch nie der Fall untergekommen, dass ein Team darauf beharrt hat: gleiche Regeln für alle. Meistens läuft das eher so:

Wir wissen, dass der irgendwie anders tickt, aber solange er es nicht übertreibt und trotzdem den heißen Scheiß baut, drücken wir ein paar Augen zu und können damit leben. Wir profitieren davon, dass der immer wieder das Besondere raushaut. Solange das ein Geben und Nehmen ist, ist das für uns OK.

Das funktioniert natürlich nur dann, wenn der Star das genauso sieht, und das ist am Ende unser Job. Vielleicht haben wir Glück, und die Dinge haben sich ohne Absprache einfach so eingerüttelt. Star und Rest des Teams haben eine stille Übereinkunft getroffen. Für den gelten andere Grenzen, aber es gelten trotzdem Grenzen, und die werden von allen akzeptiert. Es herrscht Ruhe im Team, alle haben es akzeptiert, es hat sich eingespielt, und es läuft.

In dem Fall würde ich Euch in jedem Fall dazu raten, nicht einzugreifen, nicht dafür zu sorgen, dass gleiche Regeln für alle gelten, sondern Euch einfach darüber zu freuen, dass es funktioniert.

Wenn die Kollegen diesen seligen Stand des Ausgleichs nicht gefunden haben, ist es unsere Aufgabe, ihnen dabei zu helfen, und unser erster Weg führt uns zum Star. Ohne dessen Mitwirkung wird das nichts werden.

Wir wollen von ihm wissen, ob ihm überhaupt klar ist, dass er sich eine Menge Freiheiten herausnimmt. Auf der anderen Seite signalisieren wir auch, dass uns bewusst ist, dass er einfach anders tickt und die Dinge anders laufen müssen. Wir wollen mit ihm zusammenarbeiten und ihn nicht einfach unter Druck setzen.

Wir machen auch genau das klar: Deine Teamkollegen wollen sehen, dass du selbst dich nicht als Superstar betrachtest, sondern alle anderen ernst nimmst.

Superwichtig. Ohne das werden wir nichts erreichen.

Wir wollen, dass unser Star erkennt, dass er anders tickt als die anderen, ohne die Unterstützung der anderen aber auch nicht glücklich werden wird. Wir möchten, dass ihm bewusst wird, wie gefährlich es ist, wenn einer komplett aus der Reihe tanzt.

Das Gespräch bzw. die Gespräche mit dem Star sind schwierig, und sie erfordern eine Menge Fingerspitzengefühl. Wir wollen Grenzen setzen, ohne einzuschränken, und wir wollen seine Mitwirkung. Das schaffen wir nur, wenn wir zeigen, dass wir die Situation verstehen.

Die Kommunikation mit dem gesamten Team ist auch nicht einfach. Ich gehe in diesen Situationen gern so vor, dass ich die Einzelgespräche der Gesamtrunde vorziehe. Die Sonderrolle eines Einzelnen ist für mich kein Retro-Thema. Sobald wir in der großen Runde darüber sprechen, werden wir anders sprechen und sehr wahrscheinlich kein vernünftiges Ergebnis erzielen. Wir können einfach in der großen Runde nicht darüber sprechen, dass es für einzelne Personen Sonderregelungen gibt. Es müssen schon recht viele positive Dinge zusammenkommen, damit das funktioniert.

Sprechen wir aber unter vier Augen darüber, was ein Einzelner bereit ist, an »Macken« eines anderen zu akzeptieren, werden wir offen sprechen, was wir in der großen Runde einfach nicht tun werden. Unser Kollege wird uns im Einzelgespräch irgendetwas sagen: »Ich kann damit leben, dass der dies und jenes tut, solange er auch das tut …«

Wenn wir dann antworten können, dass sei ziemlich genau das, was die Kollegen auch gesagt haben, dann haben wir uns geeinigt. Wir haben uns in der Gruppe geeinigt, ohne in der Gruppe zu sprechen.

Genau das, worüber ich mit jedem einzelnen Teamkollegen gesprochen habe, ist das, worüber ich dann auch mit dem Star sprechen muss. Der wird das super finden, und der wird das akzeptieren. Ihm ist selber bewusst, dass er eine schwierige Situation schafft, wenn wir in den vorhergegangenen Gesprächen gut waren. Und er wird danach zumindest Bemühen zeigen, und das ist es, was die Kollegen in allererster Linie sehen wollen.

Das klingt für Euch mit absoluter Sicherheit wie Schattendiplomatie, und das ist es auch, aber es ist ein Weg, der funktioniert. Und das ist es, was am Ende zählt. Wir haben niemanden übervorteilt. Wir haben niemanden ignoriert. Wir haben jemanden zurück ins Team geholt, der – wahrscheinlich ohne es zu wissen – drauf und dran war, das Team hinter sich zu lassen.

Wenn wir dafür einen unkonventionellen Weg gehen müssen, dann tun wir das.

Noch einmal, weil es so wichtig ist: Es gibt einfach Themen, die selbst für eine Retro nicht passend sind. Würden wir versuchen, dies in der großen Runde aufzulösen, würden wir wahrscheinlich scheitern, weil es für alle sehr unangenehm wird, in der Gruppe darüber zu sprechen. Unter vier Augen tun wir uns da sehr viel leichter.

Abschließend noch: Manchmal gibt es das Modell, alle Superstars in einen Think-Tank zu sperren, also ein Sonderteam zu gründen, dessen geballte Brainpower wir so nutzen wollen. Bitte stellt Euch das nicht so einfach vor. Sehr oft scheitern diese Modelle.

Wenn wir sehr kreative Köpfe ohne Regeln miteinander spielen lassen, neigen diese dazu, von einer guten Idee zur nächsten zu springen. Wir wollen jedoch, dass diese Kollegen sich etwas eingehender mit einzelnen Ideen beschäftigen, und die spannendsten Ideen auch irgendwann auswählen. Für einen solchen Think-Tank braucht es also auch einen sehr erfahrenen Methodiker, der das Chaos bändigen kann, ohne die Kreativität dieser Kollegen einzuschränken.

Und für einen Think-Tank braucht es eine klar formulierte und kommunizierte Erwartung und Aufgabe. Alle müssen wissen, worauf sie hinarbeiten.

Think-Tanks sind aber ein reichlich komplexes Thema für sich, das wir uns ein andermal ansehen werden.

Kernaussagen: Selbsternannte Superstars, die lediglich Teamregeln zu ihren Gunsten beugen, benötigen Grenzen und im Zweifel eine klare Ansage. Echte Superstars – also Personen, die besondere Dinge tun können, dafür aber eine besondere Umgebung benötigen – brauchen die freiwillige Unterstützung der Teammitglieder. Unsere Aufgabe ist es, die richtige Balance mit Unterstützung aller zu finden.

Wenn Ihr mehr erfahren wollt, oder Unterstützung braucht, sprecht mich einfach an.

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