Cartoon: God old times

Was verstehen wir eigentlich unter Moderner Führung? Die Antwort ist ebenso einfach wie frustrierend: jeder etwas Anderes. Ihr könnt jede Menge Bücher zu dem Thema lesen und einen ganzen Arsch voll Seminare besuchen, doch am Ende muss jede Organisation seine eigene Entscheidung treffen, was sie von einer Führungskraft erwartet. Wenn man ein paar Grundsätze verinnerlicht hat, ist man schon einen großen Schritt weiter.

Wenn wir von Moderner Führung sprechen, müssen wir uns erst einmal klar machen, was wir unter althergebrachter oder antiker oder nicht mehr aktueller Führung verstehen, weil das ja offenbar das ist, was wir nicht mehr wollen. Warum wir das eine modern nennen und das andere vielleicht Alte Welt, soll heute nicht unser Thema sein.

In sehr klassischen Führungsrollen findet sich – ausgesprochen vereinfacht ausgedrückt – das Prinzip von Command & Control, d.h. dass die Führungskraft eine Entscheidung trifft, einen Befehl erteilt und dann die Ausführung dieses Befehls (also das Arbeitsergebnis) in irgendeiner Form kontrolliert. Mir ist vollkommen klar, dass dies eine Führungsrolle nur zum Teil wiedergibt, aber all dies Aspekte, die wir heute unter Moderner Führung verstehen, sind der Rest der klassischen Führungsrolle. Glaubt mir einfach für den Moment – wir kommen später noch darauf zurück.

Dieses Dreigestirn aus Entscheidung, Befehl und Kontrolle passt für unsere weiteren Überlegungen aber ganz großartig, weil wir daraus drei Grundsätze entwickeln können, die ganz gute Eckpfeiler für etwas abgeben, was wir Moderne Führung nennen können.

Hier findet Ihr eine Übersicht von Videos zu diesem und anderen Themen

In einer immer komplexer werdenden Welt mit immer komplexeren Projekten in immer komplexeren Strukturen ist es uns nicht mehr möglich, alles selbst zu entscheiden. Wir haben irgendwann festgestellt, dass es clever ist, eine Entscheidung dort zu treffen, wo das größte Wissen liegt, und das ist naturgemäß nicht immer die Führungskraft. Technische Fragen werden in den Teams entschieden. Darum sprechen wir auch von selbstorganisierten Teams.

Ist die Führungskraft damit aus jeder Entscheidung ausgeschlossen?

Mitnichten. Sprechen wir über rein technische Themen, also über Fragen der reinen Umsetzung, entscheidet das Team allein – kein Problem. Sprechen wir jedoch über eher strategische Entscheidungen, bringen beide Seiten – Team und Führungskraft – ihre Expertise mit. In diesem Fall ist es vielleicht die beste Option, eine gemeinsame Entscheidung zu treffen.

Für unser Führungsverständnis heißt das, dass Entscheidungen dort und auf die Weise getroffen werden, wo aufgrund der Expertise das beste Ergebnis zu erwarten ist. Für die Führungskraft heißt das, einen Teil der Entscheidungskompetenz abzugeben. Welcher das ist, wie weit das geht und an wen, müssen wir sehen. Das hängt von der Art der Entscheidung ab.

Der zweite Aspekt – das Erteilen von Anweisungen – ist ebenfalls nicht schwarz oder weiß. Niemand möchte einen Befehle brüllenden oder micromanagenden (allein das Wort tut weh) Vorgesetzten. Wir tun uns schon schwer mit dem Begriff des Vorgesetzten und sprechen nur zu gern von flachen Hierarchien. Aber auch hier gilt, dass dieser Aspekt bei der Führungsrolle nicht komplett herausfällt.

Die Führungskraft ist verantwortlich für ihren Bereich. Sie ist damit auch verantwortlich für das Ergebnis in ihrem Bereich. Wenn die Dinge schieflaufen, ist die Führungskraft derjenige, der den Tritt in die Weichteile bekommt. Natürlich wollen wir ein Pull-Prinzip. Wir wollen, dass sich alle Beteiligten ihre Aufgaben nehmen, aber das passiert leider nicht immer. Die Realität ist leider nicht immer so schön, wie wir uns das wünschen. Manchmal muss eine Führungskraft auch Dinge verteilen. Nicht in jeder Abteilung arbeiten wir mit Kollegen zusammen, die sich freiwillig ihre Aufgaben ziehen. Oder was tun wir, wenn sich unsere Kollegen nur die Rosinen herauspicken?

Es gibt Situationen, in denen eine Befehlskette auch schneller ist. Ich spreche jetzt nicht vom militärischen Krisenfall, sondern von einer Situation, in der wir sehr schnell reagieren müssen, wenn wir es uns nicht leisten können, erst zu diskutieren und dann Streichhölzer zu ziehen, wer was macht.

Ich sage nicht, dass wir das dauerhaft haben wollen. Ich sage lediglich, dass die Erteilung eines Arbeitsauftrags nicht immer die schlechteste Option ist – bedenkt das, bevor Ihr mich am nächsten Baum aufknüpft.

Für unser neues Führungsverständnis heißt das, dass wir als Führungskraft eine Selbstorganisation und damit auch ein Pull Prinzip unterstützen und fördern (was das bedeutet und wie das geht, sehen wir uns an anderer Stelle an), aber uns ist trotzdem vollkommen bewusst, dass es Situationen gibt, in denen wir Aufträge erteilen müssen.

Der dritte Pfeiler ist die Kontrolle der Arbeitsergebnisse. Wie sieht es eigentlich damit aus? Das ist richtig fies, weil wir als Führungskräfte noch immer in der Verantwortung für unser Einheit stehen. Wir müssten damit unsere Teams sich selbst kontrollieren lassen, darauf vertrauen, dass alles passt, und wenn es nicht passt, kriegen wir einen auf den Deckel.

Ich weiß nicht, wie Ihr das seht, aber für mich klingt das nach einer ziemlich blöden Vereinbarung, in der ich nur verlieren kann.

Ich will nicht jeden Dreck selbst kontrollieren. Dafür haben wir Tester (hoffentlich) und Prozesse (hoffentlich), aber ich kann sehr wohl Teil der Prozesserstellung sein. Ich kann dafür sorgen und dabei unterstützen, dass dieser Punkt der Kontrolle ohne ich auskommt und ich trotzdem ruhig schlafen kann, indem ich mit den Teams gemeinsam an diesem Prozess arbeite, indem wir uns gemeinsam auf Standards einigen, indem wir uns auf Mindestqualitätskriterien einigen usw. ich kann bei den Werkzeugen unterstützen, ich kann bei den Rahmenbedingungen unterstützen, und ich kann die Ziele der Organisation transparent machen. Ich kann (und sollte) Vieles tun, ohne im Detail und am eigentlichen Arbeitsergebnis zu wirken.

Moderne Führung bedeutet hier also Rahmenbedingungen, Ziele, Werkzeuge und Vereinbarungen. Das definiert unseren Umgang mit der dritten Säule – Kontrolle.

Bleibt noch die Frage, was ich eingangs erwähnt habe, dass der Rest der klassischen Führungsrolle auch Teil der modernen Führungsrolle ist.

Auch vor fünfzig Jahren waren Führungskräfte für ihre Teams Befähiger. Sie waren nicht selbst Coach – das sind sie auch heute nicht – aber sie waren verantwortlich für die fachliche Weiterentwicklung ihrer Teams. Das tun wir auch heute noch. Lediglich die Werkzeuge und Prozesse haben sich geändert. Teams entscheiden heute selbst (zumindest in Teilen), welche Schulungen sie für nötig halten. Ohne die Führungskraft, die das organisiert – und sei es nur die Finanzierung – kommen sie jedoch nicht weit.

Führung bedeutet auch heute oft genug Personalverantwortung. Bei diesem Aspekt hat der Gesetzgeber ein gewichtiges Wort mitzureden. So stark hat sich diese Facette unseres Wirkens in den letzten Jahren nicht verändert, auch wenn wir das gern annehmen. Wir sind noch immer in der Pflicht, im Zweifel höchst unangenehme Entscheidungen treffen zu müssen. Wir haben dort noch immer eine Menge Verwaltungsaufgaben.

Die Liste ließe sich fortführen, aber für heute soll es genügen, wenn wir uns die angesprochenen drei Säulen – Entscheidung, Anweisung und Kontrolle – genauer angesehen haben. Hinzu kommt die Rolle des Befähigers Mit diesen Dingen lässt sich ein recht klares Bild eines modernen Führungsverständnisses abseits von Schwarz-Weiß und Extremen zeichnen, das in den meisten Organisationen eine gute Basis für die konkrete Ausformung der eigenen Führungsrolle abgibt.

Kernaussagen: Die Aspekte Entscheidung, Befehl und Kontrolle wandeln sich von der Zentralisierung bei der Führungsrolle hin zu einer Verteilung zwischen Führungskraft und Team. Hinzu kommt die Rolle des Befähigers im Sinne eines Ermöglichers der fachlichen Entwicklung.

Wenn Ihr mehr erfahren wollt, oder Unterstützung braucht, sprecht mich einfach an.

twitterrssyoutube
Facebooktwitterredditpinterestlinkedintumblr